Johann-Reimer Schulz sieht Dinge, die andere Menschen nicht
sehen.
Er wandert übers Moor, bleibt vor einem knorrigen Weidenpfahl
stehen und schaut hin. Sinniert.
Und wenn der Bauer sein Einverständnis gibt, landet
der Pfahl in Schulz´ Haus in Püggen.
Was aber macht er bloß mit so`nem bisschen Totholz?
Johann-Reimer Schulz gewinnt ihm Nasen ab und Ohren, Münder
und Augen.
In dem Holz stecken Lebewesen, erklärt er,
und meine Aufgabe ist es, sie zu befreien. Manchmal
ist es ein Astloch, das ihm einen Hinweis auf Verborgenes
liefert, manchmal auch nur eine Maserung, aber immer entstehen
wunderliche Gestalten unter Schulz´ kundiger Hand.
Diese wunderlichen Gestalten können Drachen
sein, oder ...
aber schauen Sie doch selbst
Oder möchten Sie wissen wie alles
anfing?
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UND SO FING ALLES AN
"Wie oft war ich schon in der Tenne! Ich habe hier gearbeitet,
Bilder aufgehängt, Stühle, Bänke, Tische und
Gartengeräte abgestellt - doch nie ist mir was aufgefallen.
Im Herbst hatte ich Besuch und wollte Stühle holen. Es
regnete heftig. Durch die kaputte Scheibe kam das Wasser und
eine Lache bildete sich auf dem Lehmboden. Der schwarze Fachwerkbalken
rechts an der Tür war feucht vom Regen; er glitzerte
und die Struktur des Holzes bekam ein seltsames Aussehen -
sie änderte sich ständig durch das fließende
Wasser.
Mit Erstaunen sah ich, wie sich ein "Gesicht-ähnliches"
Gebilde aus dem Balken schälte. Nicht eins, nein! Zwei,
drei, viele Fratzen Tiergesichter, Schnecken, Kormorane, Störche,
Kröten - alles, was Flora und Fauna zu bieten hat !!!
Dann hörte ich es wispern, raunen, flüstern, krächzen
und sah in allen Balken um mich herum phantastische Wesen:
Chimären, Trolle, Geister, Satyren, Alraunen, Druiden
und Schamanen aus vergangener Zeit.
Sie sahen mich an, wollten befreit werden, saßen in
allen Balken aus Eiche, Kiefer, Erle und Buche schon seit
Jahrhunderten. Was sie gesehen, erduldet und erlebt hatten
machte sie zu bizarren, surrealen, grotesken manieristischen
Existenzen. Von keinem bemerkt saßen sie wie erstarrt
im Holz. Ich hatte sie für einen Augenblick erkannt und
gehört.
Dann lief ich mit meinen Stühlen durch den Regen; um
die Wesen zu befreien werde ich doch nicht das Haus abreißen!
Später sah ich hier und dort Balken liegen oder in Weiden
als Zaunpfähle dienen, kratzte sie an, schlug Kerben
ins Holz, befreite sie von Fäulnis. Und siehe da: überall
waren sie, die Kobolde! In Weidenzäunen, Feuerholz, Brettern,
alten Tischplatten und Stühlen, in Milchbänken -
überall schönes uraltes Holz, vernachlässigt,
faul, modrig, voller Narben.
Jetzt wusste ich, wo ich die "Wendländischen Hausgeister"
suchen musste. Vielleicht finden sie ihre Zuhörer und
Betrachter .........."
Johann-Reimer Schulz, Püggen 24.04.93
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